35 Jahre Kneipenkultur mit Jazz, Blues und Literatur

ImageNach über 35 Jahren Jazzkneipe gehört die Baßgeige mit zu den ältesten Veranstaltungsorten in Sachen Jazz in Deutschland. Die Regie hat sich seit dem nur einmal geändert. Nach dem Tode von Urgestein Norbert "Bolle" Bolz ist nun seine damalige Lebensgefährtin Karin der gastronomische Pächter und Veranstalter der Konzerte. Selbst der legendäre Frankfurter Jazzclub in der Bockenheimer
Straße hat in den 55 Jahren seines Bestehens mindestens fünf mal den Pächter und Veranstalter gewechselt.Image
Am 23. November 1977 fing alles. Aus der Wittinger Pilsstube an der historischen Stelle Bäckerklint und Eulenspiegelbrunnen, die damals mehr eine von Handwerkern geprägten Eckkneipe war, wurde die Musikkneipe Baßgeige. Die Lage war einmalig. Denn kneipentechnisch passte sie gut in das Szene-Konzept der damaligen Breiten Straße, wo es den berühmten "Pata Pata Hof" mit dem legendären "Knuff" und vielen anderen Kneipen gab. Außerdem waren auf der  Breiten Straße die Disko "Darkness Club" und der "Balkankeller" und im Handelsweg das "Bistro Unal" und die auch heute noch vorhandene "Strohpinte" von Helmut Pichler angesiedelt. Etwas abseits in der Scharrnstraße gab es die berühmte Schüler und Studentenpinte "Dreampipe" später "Pfeife" genannt, die Uwe Brückner bewirtschaftete. Ab 1972 arbeiteten dort in der "Pfeife" Bolle und Lucius (Wolfgang Goedecke) zusammen als Thekenteam.Image
1977 übernahm Bolle einen in der Nähe liegenden Laden am Bäckerklint. Lucius zog mit, und nach kurzer Umbauphase wurde die Baßgeige geboren. Von Anfang an war klar, dass an diesem neuen Kneipenort auch Live-Musik gespielt werden sollte. Braunschweigs "Red Onions" machten dann auch den Auftakt mit dem ersten Jazz-Konzert. Über die nächsten Jahre folgte eine Serie von Blueskonzerten mit legendären Originalen aus der amerikanischen Blues-Szene. Unter anderem spielten Eddie "Cleanhead" Vinson, Robert Lockwood Jr., Sunnyland Slim, Louisiana Red, Margie Evans, Willi Mabon, Jack Dupree u.v.a. Viele waren durch Lippmann & Raus American Folk Blues Festival erstmalig nach Deutschland gekommen, und man konnte dadurch günstige Anschlusskonzerte buchen.
Gleichzeitig hatten Bolle und Lucius schon lange ein Faible für modernen Jazz. Diese Stilrichtung wurde zum musikalischen Mittelpunkt der Baßgeige. Die ersten Modern Jazz -Konzerte wurden dann auch mit Unterstützung von Charles Benecke, er inszenierte in den 1970er Jahren die berühmten "Jazz im Lindenhof" Konzerte, durchgeführt. Mit ihm, Otto Wolters (Piano), Udo Dammann (Gitarre), Thomas Geese, Lucius und Bolle wurde 1978 die Braunschweiger Musikerinitiative gegründet.
In der Baßgeige liefen dann in regelmäßigen Abständen, meist zwei mal im Monat, nicht nur regionale sondern auch internationale Jazzkonzerte. Das European JazzBassist Ensemble, unter der Leitung von Bassist Ali Haurand, spielte immer wieder bis in die heutige Zeit. Bekannte Solisten wie Gerd Dudek, Tony Oxley, Charly Mariano, Alan Skidmore, Rob van den Broeck, Leszek Zadlo, Jiri Stivin u.a. waren des öfteren musikalische Gäste. Aus den USA kamen Ernie Watts, Richi Cole, Benny Bailey, Horace Parlan, Allan Praskin, Gene Conners, George Bishop, Earl Warren, Jim Pepper, Jeanne Carrol u.v.a.Image
In erster Linie wurde die Baßgeige aber natürlich ein Auftrittsort für die norddeutsche Jazzszene zwischen Düsseldorf, Bremen, Hannover, Hamburg und Berlin. Gruppen wie z.B. Jazztrack, Changes, Ed Kröger Trio mit den Solisten Ulli Beckerhoff, Wolfgang Engstfeldt, Peter Weiss, Sigi Busch, Heinrich Hock und Detlef Beier gaben sich hier regelrecht die Klinke in die Hand. Aber auch die lokale Szene entwickelte sich. Durch Otto Wolters, Piano Dozent an der städtischen Musikschule Braunschweig und späterer Jazz-Dozent an der Hochschule für Musik in Hannover, bildete sich ein Kreis von immer mehr talentierten Jazz-Musikern wie z.B. Tine Schneider (Piano), Matthias Weise (Gitarre), Udo Dammann (Gitarre), Christian Hasse (Piano), Jan Behrens (Piano), Nils Wogram (Posaune), Tilman Ehrhorn (Saxophon) und Ottmar Könnecke (Saxophon). Einige spielen heute in der Oberliga des deutschen Jazz oder arbeiten selber als Dozenten an diversen Musikhochschulen. Die Braunschweiger Oldtime Jazz Szene bildete ab 1978 auf Initiative von Christian Gerber (Gitarre, Banjo) das sogenannte Impromptu Ensemble, zu dem sich auch Musiker aus Hannover gesellten. Diese Formation nannte sich später Apex Jazzband. Sie spielten swingenden Chicago Jazz. Aus dieser Band ging dann 1983 die Hausband der Baßgeige hervor. Zuerst spielten sie als Quartett mit Jüli Sauerbier (Trompete), Richard Geier (Bass-Saxophon), Jo Clausen (Klarinette) und Christian Gerber (Gitarre, Banjo). Später kamen noch Hans Seidler (Posaune), Harald Montag (Klarinette, Alt-Saxophon) und Ilo der Schlagzeuger hinzu. Die Band nannte sich erst "Davenport 4" und später dann "Davenport 6". Sie traten 21 Jahre lang immer einen Tag vor Weihnachten (am 23.12.) in der Baßgeige auf.
1985 wurde in Zusammenarbeit mit der Musikerinitiative Braunschweig die Jam-Session geboren. Die zuerst monatlich stattfindende Session war wie eine Musikerbörse. Es wurden neue Bands gegründet und viele Kontakte geknüpft. Sie findet auch heute noch 4 bis 5 mal im Jahr statt.
In den letzten 10 Jahren hat sich der Schwerpunkt des Jazz in der Baßgeige vorrangig auf die Szene rund um Braunschweig und Hannover verlagert. Mit z.B. Britta Rex (vocal), Eddie Filipp (Schlagzeug), Christian Hasse (Piano), Bernd Dallmann (Saxophon) und Dietmar Osterburg (Gitarre) haben wir hier in Braunschweig einige gute Band-Leader, die sich seit Jahren immer wieder mit interessanten Projekten vorstellen. Aus dem Raum Hannover sind u.a. häufig Ulli Orth, Andy Gütte, Stephan Abel, Hajo Hoffmann, Rolf Zielke, Gaby Schenke und Christoph Münch zu Gast.